Es gibt Fragen, die mir immer wieder gestellt werden, z.B. „Geht Venedig wirklich unter?“ Je nach Tagesstimmung oder auch abhängig von der Person, die fragt, antworte ich entweder: „Ja, vielleicht. Die Stadt sinkt, der Meeresspiegel steigt. Aber wir werden es sicher nicht erleben.“ Oder: „Ja, ganz bestimmt. Aber nicht heute.“ Oder: „Es gibt schon Ideen, dies zu verhindern. Bis es soweit ist, wird es vielleicht eine Technik geben, eine Art Luftkissen unter die Paläste zu schieben und sie damit anzuheben. Es soll bereits getestet worden sein, aber noch wird es geheimgehalten.“
Ich freue mich, wenn jemand an Venedig interessiert ist und beantworte Fragen gerne. Persönlich, im Netz oder auch auf Nachrichten und Emails.
Wer mich kennt oder sich auf meinen Seiten umgesehen hat, weiß, mit welcher Begeisterung ich über Venedig berichte und wie sehr ich diese Stadt liebe.
Kaum eine Frage , die ich nicht gerne beantworte.
Bis auf eine:
„Könnten die Venezianer nicht mal was an ihren Häusern machen?“
So ist es gerade kürzlich wieder in einer facebook-Gruppe passiert, in der ich häufig etwas poste, um die Venedig-Kenner und -Freunde zu erfreuen.
An einem warmen Sonntag im Frühling saß ich am Kanal in einer ruhigen Wohngegend. Wieder einmal war ich fasziniert von dem Licht, den Farben, fast überwältigt von der Schönheit der Stadt.
Schnell machte ich ein kleines Video und postete es in die o.g. Gruppe.
Italien hatte die Grenzen noch nicht geöffnet, Deutschland die Reisewarnung nicht aufgehoben. Ich weiß, dass viele Venedig-Freunde so gerne kommen würden, es aber aus verschieden Gründen jetzt oder auch in absehbarer Zeit nicht können. Also lasse ich sie teilhaben an unserem Leben in Venedig, indem ich Berichte, Fotos und Videos poste.
Die lieben Kommentare der anderen Mitglieder dieser tollen Gruppe freuen mich immer sehr!
Aber dann schrieb ein Herr, nennen wir ihn A. aus B.:
„Hätten die nicht mal was tun können in der Stadt? Zeit genug hatten sie ja nun.“
Normalerweise regelt es sich sehr schnell und ohne mein Zutun. Andere Freunde geben freundliche Antworten. Selbst Leute, die in diesem Forum damit prahlen, Kreuzfahrer zu sein, werden nett und respektvoll behandelt.
Leider bekam A. aus B. keine Antwort und so sah ich mich gezwungen, ihn freundlich zu fragen: „Womit würdest du anfangen?“
A. aus B.: „Mit der Fassade. Geld genug haben sie ja gescheffelt.“
Und wieder konnte ich mich auf meine Freunde verlassen. Eine liebe Fotografin, die ich im Karneval kennenlernen durfte, schrieb:
„Wenn bei dir zuhause die Stadtkasse voll ist, wird dir die Fassade an deinem Haus gemacht?“
Jetzt reichte ein Lach-Emoji meinerseits, um A. aus B. auf die Palme zu bringen. Beleidigt kündigte er an, seinen Beitrag zu löschen, wenn er sich veralbern lassen müsse. Leider tat er das auch sofort, ohne meinen weiteren Kommentar noch zu lesen.
Dabei wollte ich ihm nun in Ruhe erklären, warum die Fassaden gerade nicht das vorrangige Thema ist, mit dem man sich in Venedig beschäftigt:
1. Den wenigsten Venezianern gehört der Palast, in dem sie wohnen.
2. In einem Palast, in dem früher eine Familie wohnte, befinden sich jetzt viele Mietwohnungen. Der Unterhalt ist teuer, an die Fassadenrenovierung gehen meistens nur Hotels oder öffentliche Einrichtungen.
3. In vielen Häusern befinden sich gar keine Wohnungen mehr für Venezianer, sondern sie wurden zweckentfremdet für AirB&B. Da zählen nur die Einnahmen, aber doch nicht die Fassade!
4. Es gehört kein Putz auf die Fassade. Dahinter befindet sich oft Feuchtigkeit, die schlechter abtrocknet, wenn die Wände verputzt sind. Es war mal eine Modeerscheinung. Jetzt können wir nur hoffen, dass die Farbe nach und nach abfällt- genauso, wie es ja auch passiert.
5. Viele Touristen würden sich wundern, wie schön es hinter mancher bröckeligen Fassade im Palast aussieht. Understatement wird gepflegt in Venedig. Es muss und soll nicht jeder wissen, wo die wohlhabenden Venezianer wohnen.
6. Viele Paläste stehen leer. Meistens sind ungeklärte Eigentumsverhältnisse oder Streit unter Erben der Grund. Diese Paläste warten oft auf Investoren, die dann ein weiteres Hotel eröffnen wollen. Zurzeit besteht aber ein Stopp der Genehmigungen. Es gibt genügend Hotels, neue würden den bestehenden unnötig Konkurrenz machen.
7. Die Vermieter in Venedig sind oft so, wie fast überall auf der Welt. Viel Miete kassieren, wenig investieren. Mit den Touristen hatten sie da ja auch ein leichtes Spiel. Wenn ich mich nur wenige Tage in der Stadt aufhalte, genieße ich den morbiden Charme und störe mich nicht am abplatzenden Putz. Ganz vielleicht hat Corona aber auch hier etwas verändert. Wie man hört, wollen einige AirB&B-Betreiber jetzt doch wieder an Einheimische vermieten.
Ob sie sich dann um die Befindlichkeiten von Herrn A. aus B. kümmern, mag ich nicht beurteilen. Aber Herr A. aus B. war bestimmt noch gar nicht in Venedig. Er wäre wohl auch endgültig verstimmt, wenn er die Stromkabel sehen würde.
vielen Dank für Eure tollen Berichte. wir leben nun seit fast 3 Jahren halb in München und halb in Venedig und entdecken immer wieder etwas Neues in unserer Serenissina. Heute habe ich eine Frage an Dich: wie heissen die Vorsprünge so ab dem 1. Piano, mit denen die Wohnfläche erweitert wird, ohne die calle noch enger zu machen ich meine, dass ich das mal bei Euch gelesen habe, komme aber nicht mehr auf den Artikel.
liebe Grüße Deine Namensvetterin Ute
Hallo Ute, danke für deine Anregung. Wir haben das Thema aufgegriffen und einen Artikel verfasst.
https://www.venedig-info.com/venedig-was-sind-eigentlich-barbacane/
Liebe Ute! Danke für diesen Bericht, aus dem so viel Liebe für unser Venedig spricht. Wenn ich darf, möchte ich ihn zu gegebener Zeit an bestimmt Personen weiterleiten. Besser kann man auf solche Bemerkungen nicht reagieren. Vielen Dank und liebe Grüße! Monika Reichert
Liebe Monika, vielen Dank für deinen Kommentar. Selbstverständlich darfst du alles von meinen Seiten verwenden, ich freue mich darüber!
Herzliche Grüße
Ute