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Venezia Atto Finale – Interview mit Petra Reski in Venedig

Eine Produktion von Adria-Magazin & Venedig-Info | Venedig Aktuell
Als Gast: Petra Reski. Journalistin und Autorin. Interview: Christoph Thür. Technische Umsetzung: Andreas Werk

Thema des sehr netten Gespräches waren das Buch von Petra Reski „Als ich einmal in den Canal Grande fiel“, welches nun auch auf Italienisch erhältlich ist und die drei größten Bedrohungen für Venedig: Wasser, Massentourismus (AirBnB) und die Korruption.

Wir haben über die Auswirkungen der riesen Kreuzfahrtschiffe und das Hochwasserschutzprojekt MOSE auf die sensible Lagunenlandschaft, über den Einwohnerschwund von Venedig über den Bürgermeister von Venedig und seine Interessenskonflikte gesprochen und gingen der Frage nach, ob auch der Bürgermeister ein Korruptionsproblem hat.

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Video: Interview mit Petra Reski

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Hier das Interview zum Nachlesen (Transkript)

Christoph Thür: Buongiorno liebe Italienfreunde! Wir sind heute hier in Venedig, haben einen ganz besonderen Gast, Frau Petra Reski. Beziehungsweise, eigentlich muss ich es anders sagen. Wir sind zu Gast bei Frau Reski. Frau Reski wohnt schon seit 1991 hier in dieser wunderbaren Stadt und hat diesen Wandel dieser Stadt so gut mitbekommen wie keine andere, vor allem dokumentiert wie keine andere. Im letzten Jahr erschien „Venedig, als ich eimmal in den Canal Grande fiel“. Ein ausgesprochen gutes Buch, was diesen Wandel dieser Stadt mit seinen Problemen, mit den Problemen, mit denen diese Stadt zu kämpfen hat, sehr gut dokumentiert. Jetzt ganz neu, vor wenigen Tagen auch die italienische Version erschienen: „Venezia, Atto Finale“, also der letzte Akt. Und das klingt schon sehr, sehr dramatisch und wir sprechen eben über die Bedrohungen. Also die drei größten Bedrohungen für Venedig sind ja das Wasser, also sprich Klimawandel, Moose, Massentourismus mit Airbnb und natürlich auch die Korruption. Beginnen wir beim Wasser und Moose. Das ist ja ein Projekt, was in den Medien oft als das Erfolgsprojekt oder das einzig rettende Projekt für Venedig bezeichnet wird. Allerdings, wenn man so in Ihrem Buch liest oder auch jetzt, nach den ersten Testläufen von Moose, ist es ja nicht nur Heils bringend für Venedig. Wie sehen Sie dieses Projekt Mose?

MOSE Hochwasserschutz sinnvoll oder nicht?

Petra Reski: Also das ist ja… Testläufe. Irgendwie schön gesagt. Dieses Projekt ist ja jetzt schon über 30 Jahre alt und war eigentlich im Grunde schon veraltet, als es nur vorgeschlagen wurde. Denn das größte Problem für… also warum, wir müssen erst mal wissen, warum ist das Hochwasser entstanden in Venedig? Die Lagune wurde vor allen Dingen seit der Schaffung des Industrie Hafens… Nach und nach wurde sie ausgegraben, also dieser, vor allem der Kanal für Erdöl Tanker wurde ausgegraben. Und das hat irgendwie für das, zu dem größten Hochwasser, also 1966, das erste große Hochwasser geführt. Dann darauf hin war überhaupt erst mal die Sensibilität dafür da. Hinzu kommt der Anstieg des Meeresspiegels. Als das Projekt Mose vorangetrieben wurde, haben die Forscher, die im Sold des Consortio Venezia Nova standen, dass dieses Consortio Venezia Nuova, was sehr interessant ist, entschuldigung, hat, ist nicht, wie man, wie ich auch anfänglich als naive Deutsche angenommen habe, ein Zusammenschluss unabhängiger Forscher, sondern das ist ein Zusammenschluss norditalienischen Bauunternehmer. Und in deren Sold standen dann Forscher, die dann den Anstieg des Meeresspiegels auch heruntergerechnet haben, denn damals waren schon diese Zahlen sehr wohl bekannt. Und als dann dieses Projekt dann eben geschaffen worden ist, also woran hat ein norditalienischer Bauunternehmer Interesse? Er möchte gerne so viel Zement wie möglich in der Lagune versenken. Das heißt also, es wurde an dem wesentlichen Problem Venedigs, nämlich der… der Ausgrabung der Kanäle. Diese Ausgrabung der Kanäle hat zur Folge, dass dadurch dann die Erosion der… Lagune vorangeschritten ist. Das heißt also, die hat sich vertieft, wenn der Boden vertieft ist. Dadurch erhöht sich dann auch die Wellenbewegung. Also Venedig, die Lagune von Venedig hat sich im zentralen Teil in einen Meeresarm verwandelt. Daran wird aber nicht gerüttelt an den wesentlichen Gründen, aus dem Grunde, weil man gerne den Kreuzfahrt Hafen betreiben will, weil man den Industriehafen betreiben will. Und dafür ist die Lagune nicht gemacht. Das ist das größte Problem und daran ändert man jetzt auch nichts, in dem Mose jetzt Mose heißt dann. Diese drei Öffnungen des… zum Meeres Öffnungen werden dann je nachdem geschlossen. So stellt man sich das vor, wenn dann eben die Flut das Meer in die Lagune drückt. Aber das hat zur Folge, dass die Lagune, und wir haben das jetzt irgendwie schon bei diesen sogenannten Testläufen erlebt, wenn die Lagune geschlossen wird, ist, verwandelt sie sich dann in einer ganz kurzen Zeit in eine Kloake. Aufgrund des Anstiegs des Meeresspiegels und dadurch, dass ja an den anderen Ursachen, den Hauptursachen des Hochwassers, nichts geändert wird… wird diese Lage, wird die Schließung immer häufiger der Fall sein. Das heißt also rein theoretisch irgendwie an 300 Tagen von 365. Das geht natürlich überhaupt nicht. Und hinzu kommt, dass die notwendige, sagen wir mal so, teilweise Überflutung beispielsweise der Salzwiesen, die Salzwiesen sind für den Erhalt der Lagune lebenswichtig, jetzt nicht mehr zustande kam aufgrund der Schließung der… der der Fluttore. Das heißt also, die Salzwiesen sind auch kleiner geworden. Demzufolge hat die Erosion noch einen größeren Effekt. Es ist in jeder Hinsicht negativ. Das Problem ist, Venedigs Lagune ist für diesen Schiffsverkehr nicht gemacht. Punkt.

Christoph Thür: Es ist ja ein hochsensibles…

Petra Reski: Aber die Interessen sind so groß und die sollen damit geschützt werden. Das ist alles, was sich hinter Mose verbirgt.

Kreuzfahrtschiffe – Welchen Einfluss haben sie auf das Ökosystem der Lagune von Venedig?

Christoph Thür: Das ist eigentlich ein… absolut hochsensibles Gebiet, diese Lagune, relativ unberührt noch, sagen wir mal, hinter Cavallino. Jetzt gibt es ja auch Bestrebungen. Man weiß ja nicht, wohin mit diesen Kreuzfahrtschiffen. Gibt es Bestrebungen, diese auch in Cavallino bzw Punta Sabbioni einen riesigen Hafen anzulegen, der wiederum tief ausgebaggert werden muss etc.. Man hat ja dann die Schiffe zwar aus dem Giudecca Kanal heraußen, aber sie sind trotzdem noch in der Lagune, in der hochsensiblen Lagune. Das heißt, eigentlich löst man das Problem damit überhaupt nicht, sondern man verstärkt es sogar noch, dass sogar noch die Lagune in Cavallino auch noch betroffen ist, allerdings scheinen diese diese Riesen, die das planen, auch sehr, sehr groß und mächtig zu sein.

Petra Reski: Ja, sie sind sehr groß und mächtig. So groß und mächtig, dass sie sogar Teile, und zwar weite Teile der No Grandi Navi Bewegung irgendwie für sich gekapert haben. Und das ist natürlich auch ein Problem. Es gibt die No Grandi Navi, die Cavallino, die natürlich gegen das Projekt Duferco, denn das ist das, das wird von einem großen Stahlkonzern, einem französischen, ursprünglich französischen Stahlkonzern, vorangetrieben, mit den entsprechenden Geldern und politischer Einflussnahme. Und da ist es irgendwie natürlich spektakulär, dass eben Teile des venezianischen No Grandi Navi dieses Projekt Duferco unterstützen.

Christoph Thür: Und die unterstützen das. Okay. Ich war letztes Jahr beim Auslaufen des ersten Schiffes nach der Pandemie vor Ort mit, mit der ganzen No Grandi Navi Bewegung sozusagen. Das war natürlich ein riesen Aufschrei, aber so was ich dann die Tage danach in den Medien gelesen habe, war eigentlich, also, die Medien berichten eher wohlwollend der Kreuzfahrtindustrie gegenüber.

Petra Reski: Nur wohlwollend!

Venexodus – Wieviele Venezianer leben noch in Venedig?

Christoph Thür: Das ist, ist es dann vergleichbar? Also ich kenne das aus Österreich und wir nennen es gelenkte Demokratie. Mit Regierungs Inseraten werden da die lokalen Medien eigentlich wohl für wohlwollende Berichterstattung gestimmt. Und diesen Eindruck hatte ich. Also ich glaube, dass die Venezianer, die noch hier in Venedig wohnen, natürlich diese Schiffe draußen haben wollen, weil die wissen ja um die Probleme, was diese groß, allein die Wasser, Verdrängung und Verschmutzung usw was das anrichtet. Aber eben auch Dinge, die man so so offensichtlich gar nicht sieht wie diese Ausgrabungen. Das ist ja massiv. Und ich bin jetzt gerade am Vormittag von Punta Salvini hierher gefahren, nach Venedig und da fährt man ja an diesen gigantischen Bauwerken. Sie haben gesagt, Zement natürlich tonnenweise, was da versenkt wurde, wenn man das von vor 30 Jahren kennt, hat das noch ganz anders ausgesehen. Und die Folge war dann im November 2019 ein… unausgesprochen riesen Hochwasser, was fast an dieses aus den 60er Jahren herangekommen ist. Und das Projekt hat eigentlich noch nie wirklich funktioniert. Es wurden wahnsinnig viele Gelder versenkt, also wir sind jetzt glaube ich schon bei über 8 Milliarden, davon 1 Milliarde Schmiergelder, wenn das reicht. Und das ist natürlich eine riesen Katastrophe. Und weil ich es angesprochen habe, Bewohner, da ist natürlich auch der Venexodus, wie er hier bezeichnet wird, ein großes Thema, was sie als dramatischsten Eingriff eigentlich von… vom, vom Leben von Venedig beschreiben. Ich habe ein paar Zahlen im 31., mit Stichtag 31.12 2016 waren im Centro noch 54.751 Bewohner gemeldet. Gemeinsam mit den Inseln waren es 82.973. 2017 dann im Zentrum 53.835 und auf den Inseln 81.027 und ganz aktuell, mit Ende 2021 50.458. Und gemeinsam mit den Inseln sind wir bei 77.281. Das heißt, man sieht, Venedig verliert jedes Jahr über 1000 Einwohner. Das ist natürlich sehr dramatisch für… für das Leben hier, dieser, dieser wunderbaren Lagunenstadt. Und noch dramatischer ist aber, was mit diesen ehemaligen Wohnungen dann passiert, die die Venezianer verlassen haben. Denn die fallen dann Airbnb zum Opfer. Und das ist eigentlich, man sieht es auch, die Rollkoffer überall in Venedig. Und die verschwinden dann in irgendwelchen ehemals privaten Wohnungen. Und das ist eigentlich sehr dramatisch und schade für diese Stadt.

Petra Reski: Also das hat ja alles seinen Anfang genommen vor, schon eigentlich in Faschismus. Und das liegt vor allem daran, dass im Faschismus eben eine Gruppe einflussreicher Industrieller, die Mussolini nahestanden, dann auf die Idee gekommen sind, Venedig mit dem Hinterland administrativ zu verbinden. Das heißt also, wir leben ja heute in diese Kommune Venedig, die umgeht, ja, also Mestre, Marghera und noch Chirignago, noch viele andere. Das hat zur Folge, dass anfänglich, damals im Faschismus lebten in Venedig 180.000 Einwohner, auf dem Festland 40.000. Und diese Gruppe der einflussreichen Industriellen hatte sich dann das so gedacht, Venedig machen wir zur Museumsstadt und den Müll und die Arbeit, die, die laden wir auf dem Festland ab. Gesagt, getan. Damit hat sich dann aber auch diese Einwohner Struktur komplett verändert. Das heißt also heute leben in Venedig de facto wir sind jetzt, also wir sind jetzt bald unter der 50.000 Grenze, offiziell, aber inoffiziell sind das maximal 40.000.

Christoph Thür: Und es sind hier noch Leute gemeldet, die aber de facto nicht mehr hier wohnen.

Petra Reski: Ja klar, weil die davon profitieren, dass sie, wenn sie ihre Wohnung hier haben, in Venedig und die als Airbnb dann vermieten können. So, das ist der Vorteil. Und auf dem Festland leben eben 180.000, die auch im Übrigen auch den Bürgermeister wählen. Und was hier passiert, ist das, was auch von Italia Nostra als im Grunde als ein kultureller Genozid bezeichnet wurde. Denn, und das ist vielleicht auch nicht ganz uninteressant, wenn man hier nach Venedig kommt, möchte man ja nicht nur die Monumente sich ansehen, sondern man möchte auch was von der venezianischen Lebensart mitkriegen. Es gibt hier aber keine venezianische Lebensart mehr. Es gibt hier nur noch Restaurants, die von Chinesen betrieben werden. Es gibt nur noch Airbnb, es gibt auch keinen, es gibt auch keinen… wenn man, also wenn ich auf der Straße laufe, höre ich niemanden mehr Venezianisch sprechen, geschweige denn Italienisch. Also hier redet keiner mehr Italienisch, sondern man hört einfach nur noch Touristen auf den Straßen. Weil bei 33 Millionen Touristen ist irgendwie ganz klar, was dann… Und wir haben, was ich auch in meinem Buch geschrieben habe, wir haben ja noch 2019 für, dafür gekämpft, eine administrative Autonomie über Venedig zu erlangen, wo uns dann das Quorum dann dieses, also wurde ein Quorum für ein, das war ja nur ein konsultatives Referendum. Demzufolge braucht man für eine konsultatives Referendum kein Quorum. Und deswegen wurde dann das Ergebnis, denn alle über 80 %, 86 % der Venezianer haben für die Autonomie gestimmt und das ist im Übrigen so, konnte auch das Festland auch mitbestimmen, das Festland hat mit 56 % auch dafür gestimmt, denn eigentlich ist es ja auch für das Festland von Vorteil, nicht zu Venedig zu gehören, weil sie auch dann andere, die Steuern anders berechnen würden und die, das Festland hat niemals eine, eine urbane Identität entwickeln können, sondern es wird immer nur als Anhängsel von Venedig betrachtet. Demzufolge wäre das also für alle eine Win Win Situation gewesen, die natürlich aber dann nicht dazu gekommen ist. Und das ist ein großes Problem für Venedig. Und wenn das, und das ist einfach das, was ich in den 30 Jahren, wo ich jetzt hier in Venedig lebe und eben auch mal im täglichen Leben feststellen konnte, die, die wirkliche, bewusste, absichtliche Zerstörung des täglichen Lebens hier in Venedig. Und dann kann man natürlich noch kommen. Man kann sein Selfie auf dem Markusplatz machen oder in der Reihe Alte Brücke, aber vom venezianischen Leben ist hier kein Rest mehr zu spüren.

Christoph Thür: Man geht eigentlich nur mehr durch eine Kulisse, die… die noch irgendwie erhalten wird. Allerdings… Venedig ganz ohne Touristen geht ja auch nicht. Es muss ja auch irgendwie, es muss ja irgendwie das Mittelmaß gefunden werden.

Petra Reski: Das will ja auch keiner.

Eintrittsgeld für Venedig – Wie sinnvoll ist diese Maßnahme?

Christoph Thür: Aber es ist, die Frage ist, wie findet man dieses Mittelmaß? Jetzt gibt es ja die Bestrebungen mit dem Eintrittsgeld für Venedig.

Petra Reski: Darüber wird hier schon seit Jahren geredet, also…

Christoph Thür: Seit Jahrzehnten schon fast, glaube ich, also über zehn Jahre und jetzt hätte man es eigentlich 2019 oder 20 einführen wollen, dann hat man da als Ausrede Pandemie genommen, dass man es nicht einführt. Die Frage ist, ob das nicht da sogar genau der bessere Zeitpunkt gewesen wäre, denn da hätte man es etwas testen können, dieses Eintrittsgeld. Die Frage ist, ob es überhaupt was bringt, das Eintrittsgeld oder ob es, ob es mehr bringt? Oder wie bringt man diesen Massentourismus wieder weg? Oder ist es, wahrscheinlich ist es gar nicht gewünscht, diesen weg zu bringen.

Petra Reski: Der, der Massentourismus ist überhaupt nicht… man möchte überhaupt nichts an dem Massentourismus ändern. Jedenfalls nicht hier. Diese Stadtverwaltung, dieser Bürgermeister nicht und auch alle vorherigen nicht. Man könnte den sehr wohl, man hätte den schon lange einschränken können, denn es geht im Wesentlichen… was ist der Massentourismus? Der Massentourismus wird verursacht durch den Tagestourismus. Dass man hier, dass Heerscharen von Reisegruppen durch die Gassen ziehen, die nur einen Tag kommen und die bleiben nicht mal einen ganzen Tag, sondern sie bleiben nur vier Stunden hier. Man hätte sehr wohl die Reisegruppen begrenzen können. Man kann das sehr wohl auch kontrollieren. Das wäre da eigentlich Eingriff gewesen um diesen Massentourismus zu begrenzen, der, der Tages Tourismus müsste begrenzt werden und das kann man, hätte man sehr wohl. Da gibt es, ich meine, wenn man nur bedenkt, man denkt ja eine, eine Stadt, die 33 Millionen Touristen pro Jahr hat, in der aber noch maximal 50.000, ich würde sagen 40.000 Einwohner noch wohnen. Dann hätte man ja gedacht, dass zu diesem… zu der Stadtverwaltung, dass da ein ganzes Heer von Terrorismusexperten sitzt, die diesen Tourismus organisieren. Ja, wir haben einen Stadtrat für Tourismus. Ja, und die ganzen Terrorismusexperten der Welt, die ja im Übrigen das Venedig nennen, das nennt man sogenannt, das sogenannte Venice Model wie, wie Tourismus nicht aussehen sollte, das ist, Venice Model, wie man das in Barcelona beispielsweise dann auch schon irgendwie…

Christoph Thür: Also wird Venedig als abschreckendes Beispiel dann…

Petra Reski: Als abschreckendes Beispiel, genau. Und da gab es zum Beispiel auch mal eine vor Jahren. Und heute ist das schon längst überholt. Aber nur so als Idee, wie man so was zum Beispiel hätte machen können. Wenn man nach Granada fährt. Man kann die Alhambra nicht besuchen, wenn man das nicht vorher gebucht hat. So und…

Christoph Thür: Also eigentlich eine limitierte…

Petra Reski: Alhambra, wie Alhambra. Man kann nach Granada kommen, aber man kommt nicht in die Alhambra rein. Aber warum kommt man nach Granada, wenn man die Alhambra besuchen will? Okay, so, und dann muss man das eben vorher organisieren. Demzufolge kann man dann auch irgendwie den Touristenstrom organisieren und da war so eine ähnliche Form. Warum kommt man nach Venedig als Tagestouriste? Man möchte ein Selfie am Markusplatz machen oder auf der Rialto und oder auf der Rialto Brücke. Demzufolge müsste man ja dann nur den Zugang zum Markusplatz, den man ja kontrollieren kann, irgendwie dann für Tagestouristen, den musst du vorher anmelden, der ist umsonst nach wie vor, aber du musst deinen Besuch am Markusplatz anmelden, oder? Und dann aber diejenigen, die länger, die länger als einen Tag bleiben in Venedig, die dürfen sozusagen frei den Markusplatz besuchen. Und diese Ideen, da gibt es ja Millionen von anderen und noch viel ausgefeilteren. Es gibt auch ein ganzes Dashboard, also man kann das ja alles, heute ist ja alles online. Man kann sehr wohl den, den Tagestourismus auch auf diese Weise nur einfach durch Online Beschränkung ohne Eintrittsgeld zufördern, organisieren, wenn man das will. Aber wenn man das nicht will, dann macht man es eben nicht. Und dieser Bürgermeister will es nicht und diese Stadtverwaltung will es nicht. Diese Stadtverwaltung, wo im Übrigen kein einziger Venezianer drin sitzt. Also von daher wundert mich das überhaupt nicht.

Christoph Thür: Auch der Bürgermeister ist weder hier geboren noch, noch wohnhaft, also…

Petra Reski: Nein. Der lebt ja in der Provinz Treviso in Mirano.

Christoph Thür: Und die Tendenzen sind aber eigentlich genau gegenteilig. Es wird ja eigentlich versucht, noch mehr Kapital aus dem Ganzen zu schlagen. Also wenn man bedenkt, inzwischen würde schon der ganze Veneto als Land of Venice beworben. Die Strände von…

Petra Reski: Venice Beach.

Christoph Thür: Venice Beach, also Cavallino bis Bibione und…

Petra Reski: Alles Venice Beach.

Christoph Thür: Ist alles Venice Beach und bis Chioggia. Es geht ja eigentlich komplett in die andere Richtung und man erkennt da dann schon auch diese großen Interessen, die dahinterstehen. Der Hafen ist ja der gleiche Eigentümer wie vom Flughafen. Flughafen war ja auch eigentlich Thema.

Petra Reski: Der Kreuzfahrthafen gehört ja auch mehrheitlich der Region Veneto.

Christoph Thür: Die haben natürlich dann auch das Interesse…

Petra Reski: Die Region Veneto, die Kreuzfahrtgesellschaften und das Unternehmen, was den Flughafen betreibt.

Salzwiesen und warum sich Venezianer nicht mit der Gondel fahren lassen

Christoph Thür: Und da wurden ja auch Salzwiesen, wichtige Salzwiesen, eigentlich trockengelegt mit dem Flughafen. Und wenn man den jetzt noch weiter erweitert, was ja auch immer wieder Bestrebungen gibt, um Gäste aus aller Welt noch mehr hereinzuholen, dann werden ja noch mehr Salzwiesen dem zum Opfer fallen. Das ist eigentlich auch wieder für das Ökosystem hochdramatisch. Also das ist ja eigentlich, was man alles nicht haben möchte. In Ihrem Buch beschreiben Sie auch das Gondeln, also die Gondeln, sie haben jetzt nicht gerade die große Liebe zu den Gondeln. Das es für Venezianer fast schon peinlich ist, wenn man mit einer Gondel fährt. Oder ist das tatsächlich so?

Petra Reski: Ein Venezianer würde nicht auf die Idee kommen irgendwie eine Gondel, also erst recht keine Gondel Serenade. Das ist also Tourismus.

Christoph Thür: Das ist reiner Tourismus…

Petra Reski: Die Gondel Serenaden sind eine Erfindung eines neapolitanischen Hotelportiers in den 50er Jahren gewesen.

Christoph Thür: Aber die Gondeln kann man sich eigentlich auch nicht mehr wegdenken aus Venedig.

Petra Reski: Die Gondel hat ja immer zu Venedig gehört, aber als Transportmittel und nicht als touristische Nummer.

Christoph Thür: Zum schon ein paarmal angesprochen Bürgermeister Brugnaro ist ja seit 2015 im Amt, wurde 2020 wiedergewählt und wird hauptsächlich vom Festland gewählt. Es ist eigentlich auch wie beim Quorum, also hier die echten, sag ich mal, echten Venezianer sind vielleicht 10 % die ihn wählen und die restlichen Stimmen bekommt er vom Festland. Und da sieht man ja auch wieder, wie abhängig dann eigentlich das historische Venedig von diesem Festland ist und… Aber es gibt…

Es gibt keine „historisches Venedig“ und auch keine „Altstadt von Venedig“

Petra Reski: Historisches Venedig. Wenn ich das mal kurz einfließen lassen darf, da ist bei mir dann schon irgendwie… Also es gibt kein historisches Venedig. Es gibt Venedig und es gibt das Festland, dieser Begriff historisches, also centro storico usw diese ganzen Begriffe sind Propaganda, Begriffe der italienischen Politik, die damit so tun wollte, als gäbe es ein historisches Zentrum, eine Altstadt oder Venedig, die Altstadt. Und es gibt sozusagen dann das Festland, wo dann eben halt die… Es ist aber nicht so, es ist so in Florenz, es ist so in Rom, es ist in normalen Städten ist es so, Venedig ist aber keine normale Stadt, Venedig ist im Wasser und alles andere ist nicht Venedig. Und das aber, diese Propaganda Formulierungen, die auch von… zum Teil sogar von Venezianer inzwischen übernommen wurden, centro storico.

Christoph Thür: Man hört ja nichts anderes.

Petra Reski: Man hört nichts anderes, aber das ist falsch. Es ist eine Propaganda… Lüge, ja, und die sich aber über die ganzen Jahrzehnte sehr schön fortgesetzt hat.

Christoph Thür: Aber wie ich vorhin angesprochen habe, man hört fast nichts anderes. Also einen Artikel leicht kritisch in der Süddeutschen Zeitung kurz nach dem Hochwasser 13. November. Da wird Brugnaro dann als Schlitzohr bezeichnet. Das ist schon einmal die… eine freundliche Bezeichnung von ihm allerdings so wirklich kritische Stimmen also dringen dann einfach nicht durch.

Petra Reski: Nein, man müsste dann vielleicht auch noch Recherche machen, das ist das Problem, wenn man keine Recherche macht dann…

Christoph Thür: Das wird dann nicht gemacht.

Der Bürgermeister von Venedig

Petra Reski: Wenn man zum Beispiel so wie jetzt gerade im Espresso geschrieben wurde, die im Übrigen Dinge dann also Geschichten rausgeholt hat, die schon mal beschrieben worden sind. Also dass beispielsweise einer der Partner von Brugnaro in seiner Scola della Misericordia, also seinem großen Veranstaltungsort, dem ein sehr, sehr hochwertiges architektonisches Kleinod, was ihm zur Verfügung gestellt wurde, zur Pacht für über 51 Jahre. Und dieses historische Kleinod da ist an diesem Ganzen, an dem Unternehmen, was er dann gegründet hat, um dieses Kleinod zu bewirtschaften, also indem er als Veranstaltungsort und so weiter, gehört nämlich auch ein zwielichtiger, inzwischen verhafteter, wegen Mafia Umtrieben verhafteter Unternehmer, der, dessen Vermögenswerte, wie das üblich ist, in Italien beschlagnahmt wurden. Aber interessant ist in dem Zusammenhang, dass, die Ermittlungen gegen diesen Unternehmer Partner von Brugnaro bekannt waren. Seit Jahrzehnten. Und normalerweise ist es dann so, dass eine sogenannte Anti Mafia Kontrolle dann veranlasst wird vom Innenministerium, dass dann eben in dem Fall dann die Präfektur in Venedig ist und das ist die Präfekturen Venedigs in den letzten Jahrzehnten nicht geschafft haben, eine einzige Anti Mafia Kontrolle gegenüber Herrn Brugnaros Unternehmen zu veranlassen. Das ist ja doch sehr bemerkenswert.

Christoph Thür: Das ist bemerkenswert. Es hat ja auch eigentlich nach dieser großen Verhaftungswelle, ich glaube 35 Personen wurden im Zuge des Mose Skandals, eigentlich der größte bis jetzt aufgedeckte Korruptionsskandal in Italien oder einer der größten, mit eben, wie schon angesprochen, über 1 Milliarde Schmiergelder. Da ist ja auch der Amtsvorgänger von Brugnaro damals verhaftet worden. Aber das verläuft alles irgendwie ein bisschen dann im Sand.

Petra Reski: Aber Brugnaro gehört zu dieser sehr schönen Kategorie der Wunder Unternehmer, der imprenditore miracolati die dann aus dem Stand dann ganz viel Geld, Milliarden dann machen. Und es wäre doch zumindest irgendwie interessant gewesen, wenn man seine Verbindung zu diesem sizilianischen Partner dann mal vertieft worden wären und wie diese Gelder da in seine Unternehmen eingeflossen sind.

Christoph Thür: Wenn man dann eben so, sagen wir mal öffentlich solche Aussagen über Brugnaro tätigt, werden die Journalisten dann üblicherweise mit Klagen eingedeckt? Oder auch Stadträte die dann irgendwas…?

Petra Reski: Nein, er droht die Klagen an. Er hat ja nun eine Partei gegründet, Coraggio Italia. Das ist… das klingt wie eine Drohung. Also nur Mut, Italien. Und seitdem haben sich natürlich dann auch ein paar Journalisten für sein Werk interessiert. Und da hat dann beispielsweise die Zeitung Domani eine Artikelserie veröffentlicht über Brugnaros Unternehmen und über seine Umtriebe und, also, vor allen Dingen seinen riesigen. Das ist jetzt mal sozusagen über Mafia hinaus einen riesigen Interessenskonflikt, den er hat in Venedig und der auch mit jetzt mit den Kreuzfahrtschiffen, mit der neuen Anlegestelle, mit seinem Hektar großen Grundstück in auf dem Festland, wo jetzt eben die Kreuzfahrtschiffe jetzt anlegen und wo ein großes Interesse darüber besteht. Also es gibt unendlich viele Interessenkonflikte, die dieser Bürgermeister hat, und die hat die Zeitung Domani eben zum Thema gehabt und jetzt eben im Espresso noch mal und Report die Fernsehsendung, die hatte das auch mit diesen, mit dem sizilianischen Partner schon mal angesprochen. Also wenn man wollte, könnte man das sehr wohl. Aber hier die Lokalpresse will das definitiv nicht.

Christoph Thür: Eben weil sie auch wohl gestimmt wird, so wie es aussieht. Also eigentlich hat auch der amtierende Bürgermeister eigentlich auch ein großes Korruptionsproblem in dem Sinn. Also das ist… Es ändert sich eigentlich nichts…

Petra Reski: Wobei, die Korruption, das muss man immer noch sagen, die Korruption läuft ja auf eine ganz verschiedene Weise ab, die muss ja noch nicht mal direkt mit Geld sein, sondern das kann politische Posten sein, das können Aufträge sein. Die Korruption ist sehr, sehr vielfältig. Das hat sich im Übrigen auch bei dem Konsortium Venezia Nova die Betreiber eben dieser… das Bauprojekt der Schleuse. Da war es irgendwie auch interessant, dass selbst sogar Verlage drin waren. Also einer der großen venezianischen Verlage, der hat sämtliche Bücher für das Konsortium produziert. Also so kann man sehr, sehr viele gewogen machen, auch gerade dann auch Journalisten, im Übrigen dann durch die Berichterstattung.

Christoph Thür: Das ist sehr schade, natürlich, das ist… aber es ist irgendwie auch jetzt nicht wirklich Änderung oder Besserung in Sicht. Die Frage ist, wird es wieder ein Referendum geben? Wann wird es eins geben?

Petra Reski: Also hier sind ja alle natürlich selbstverständlich total dagegen gegen ein neues Referendum. Aber ich denke mir immer, es sind ja viele Dinge passiert, gerade jetzt in der letzten Zeit für uns, die wir uns nie erwartet… die wir nie erwartet hätten. Einmal Corona und jetzt der Ukraine Krieg. Also man, es gibt eben Dinge zwischen Himmel und Erde, die wir nicht unbedingt erwarten und die dann trotzdem passieren. Von daher bin ich jetzt nicht ganz so negativ da eingestellt.

Christoph Thür: Ja, hoffen wir, dass es sich, das Ganze irgendwann mal zum Besseren entwickelt. Eine Umkehrung des Ganzen wieder. Dass Venedig auch wieder für die Venezianer lebenswert wird. Das ist glaube ich wünschenswert. Unseren Zusehern kann ich nur dieses Buch wärmstens empfehlen. Alle Italienisch sprechenden natürlich die italienische Ausgabe. Weitere Informationen findet man im Internet unter petrareski.com und auch den Newsletter Reskis Republik. Da findet man dann eigentlich tagesaktuell die Informationen, die Sie aus Ihrer Heimatstadt, wenn ich das so sagen darf, berichten, kritische Berichte, also mir gefällt es sehr gut, dass man da dieses Venedig aus der anderen Perspektive mal sieht und auch die tatsächlichen Probleme, die es hier gibt mit den Hochwässern etc.. Natürlich gibt es den Klimawandel, aber auch sehr viel mit Fließgeschwindigkeit und so, das beschreiben Sie immer sehr gut. Das kann ich jedem nur sehr ans Herz legen, sich diesen Newsletter zu abonnieren und auch natürlich auf die Homepage zu schauen. Bei Ihnen Frau Reski, bedanke ich mich sehr herzlich für dieses Gespräch. Sehr aufschlussreich und gute Ergänzungen auch zu diesem wunderbaren Buch und wünsche Ihnen weiterhin viel Kraft für den, auch diesen Kampf, den Sie hier aufgenommen haben gegen, oder besser gesagt für Venedig eigentlich. Nicht gegen, gegen ist immer schlecht, sondern für diese wunderbare Stadt und dass sie weiterhin lebenswert bleibt. Herzlichen Dank!

Petra Reski: Ich bedanke mich bei Ihnen.

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