Auf der Suche nach den Müllmenschen!
Bei unserem letzten Aufenthalt durfte man in Venedig die vollen Müllbeutel, getrennt nach drei Kategorien, in der Früh vor sein Haus stellen. Im Laufe des Vormittags kamen die freundlichen Herren oder Damen von der städtischen Abfallwirtschaft, der Veritas, vorbei, um sie mitzunehmen. Diese Müllbeutel waren aber auch bei Möwen sehr beliebt, die die Tüten aufrissen, sich am Inhalt gütlich taten und den Unrat in der ganzen Calle verteilten.
Beim Einzug erklärt uns unser Hausverwalter deshalb das neue System: Wir halten, unsere Müllbeutel mit uns mitschleppend, in den Gassen und auf den Kanälen Ausschau nach den Müllmännern und Frauen, die auch durch lautes Rufen auf sich aufmerksam machen. Eine eigens erstellte App verrät uns minutengenau ihre geplante Route. Soweit die Theorie.
Praktisch hörten wir heute früh tatsächlich ein Rumoren unter unserem Schlafzimmer … Keine Chance, rechtzeitig hinunter zu kommen. Nach einer Stunde Herumirrens haben wir dann aber am Ende ihrer Route das Müllboot vorgefunden und konnten glücklich unseren Müll loswerden. Bis zur nächsten Woche …
In der nächsten Woche:
Gut, dass wir mit einer Einheimischen über unser Erlebnis gesprochen haben (der Hausverwalter lebt auf den Festland …) und folgendes erfahren haben: Eigentlich klingeln die Müllmenschen morgens an der Eingangstüre, hinter der man abends schon seinen Müllbeutel platziert hat. Man drückt verschlafen den Türöffner und weg ist der Müll. Zu Coronazeiten, in der die Hälfte aller Wohnungen leerstehen, klingeln sie nur da, wo sie wissen, dass Einheimische leben. Also haben wir des morgens dem Müllmann aus unserer calle aufgelauert und ihm gesagt, wo wir wohnen und er doch bitte fortan unseren Müll mitnehmen möge.
Seitdem klappt alles wunderbar, und wir erwachen morgens mit dem lauten Ruf SPAZZINO (eigentlich Straßenkehrer, venezianisch für Müllmann), mit dem er sich ankündigt, um kurz darauf zu läuten und unseren Müll mitzunehmen. Ein Wecker ist somit auch überflüssig geworden.
Die Müllboote schippern ihre Ladung dann auf die künstliche Insel Sacca San Biagio neben der Giudecca. Dort wird der Abfall sortiert und weiter aufs Festland transportiert.
Über die Autoren
Elisabeth Hoffmann und Karl-Ludwig Heinrich recherchieren seit zwanzig Jahren zu den Roman- und Filmschauplätzen des beliebten Commissario Brunetti und haben bisher vier Bücher dazu veröffentlicht. Mittlerweile sind sie auch auf den Spuren von Kommissar Dupin in der Bretagne unterwegs. Nähere Informationen finden Sie auf www.Krimischauplatz.de. Während ihrer langen Aufenthalte in Venedig haben sie viele Eindrücke über das Leben und den Alltag in der Lagune gewonnen, worüber sie in ihrer Kolumne berichten möchten.