Touristen-freies Venedig
November 2020: Der weitgehend leere Canal Grande bietet ein gänzlich ungewohntes Bild von unseren Exklusiv-Plätzen ganz vorne im Vaporetto der Linie 1. Es zieht nur für uns und eine Handvoll Einheimische seine Bahn durch das kaum bewegte Wasser. Wo keine Touristen mehr sind, werden nur wenige Versorgungsschiffe oder Taxis benötigt. Auch die Gondolieri müssen ihren Dienst einstellen. Stattdessen staken Stehruderer in ihren traditionellen Booten durch den Canale, was bei dem vielen Verkehr sonst verboten ist.
Nur wenige Passanten, die ihren Geschäften nachgehend über die Rialtobrücke eilen, halten inne, um die grandiose Aussicht eines Blickes zu würdigen.
Es ist so still, dass wir häufig erst die Schritte hallen hören, bevor die zugehörige Person ums Eck in unsere Gasse einbiegt.
So wenig besucht sieht die Piazza San Marco um elf Uhr vormittags aus. Der Salon Venedigs wird hauptsächlich von Touristen bevölkert. Aus Mangel an Gästen werden bald auch die beiden Traditionskaffeehäuser, das Caffè Florian rechts im Bild, und gegenüber das Caffè Quadri vorübergehend schließen müssen. Die Venezianer treffen sich lieber auf den Plätzen ihrer Wohnviertel. Dort, wo es noch Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe und einfache Bars gibt, in denen sie bei einem caffè oder einem ombra (Gläschen Wein) ihre beliebten chiacchierate (Schwätzchen) mit den Nachbarn abhalten.
Selbst für den seufzenden, über die Brücke ins Gefängnis wandelnden Casanova interessiert sich derzeit niemand. Normalerweise ist die Ponte della Paglia (Strohbrücke) vor der berühmten Seufzerbrücke einer der Instagram-Hotspots der Stadt. Das macht das Durchkommen oft schwierig und gibt Anlass zu vielen genervten Seufzern der sich durch die Massen quetschenden Passanten 😉
Von der Ponte della Paglia beobachten wir den malerischen Sonnenuntergang hinter der Doppelkuppel der Kirche Santa Maria della Salute. Sie wurde im 17. Jahrhundert errichtet, um der Muttergottes zu danken, die Venedig vor den schlimmsten Auswüchsen der Pest bewahrt haben soll. Aus diesem Anlass findet normalerweise jedes Jahr am 21. November die Festa della Madonna della Salute statt. Über eine eigens dafür errichtete Brücke pilgern die Venezianer dann in einer langen Prozession zur Kirche und entzünden unzählige Kerzen, die den Innenraum des Gotteshauses in magischem Licht erstrahlen lassen.
Zu Nicht-Pandemie-Zeiten strömen um diese Zeit die Tagestouristen vom Markusplatz vorbei am Dogenpalast über die Brücke – noch mal kurz einen Blick auf die Seufzerbrücke erhaschend – zurück zu ihren Ausflugsschiffen. Heute genießen wir fast alleine diese wunderschöne Szenerie.
Über die Autoren
Elisabeth Hoffmann und Karl-Ludwig Heinrich recherchieren seit zwanzig Jahren zu den Roman- und Filmschauplätzen des beliebten Commissario Brunetti und haben bisher vier Bücher dazu veröffentlicht. Mittlerweile sind sie auch auf den Spuren von Kommissar Dupin in der Bretagne unterwegs. Nähere Informationen finden Sie auf www.Krimischauplatz.de. Während ihrer langen Aufenthalte in Venedig haben sie viele Eindrücke über das Leben und den Alltag in der Lagune gewonnen, worüber sie in ihrer Kolumne berichten möchten.