Ein Spaziergang am Zattere und die Geschichte vom kleinen Kiosk
11. November 2020: Einen Besuch in unserer ehemaligen Sprachschule, dem Istituto Venezia im Stadtteil Dorsoduro nahe dem Campo S. Margherita, haben wir damit verbunden, einen Spaziergang zum Zattere zu machen. Kleine Etymologie: „Zattere“ sind die „Flöße“, die hier für die Verwendung als Bauholz ankamen, zusammengebaut aus den Baumstämmen der istrischen Wälder. Der seltsame Name „Dorsoduro“, „Harter Rücken“, rührt vom weitgehend festen Untergrund dieses sestiere her – im Gegensatz zu den sumpfigen Böden ringsum. Anders als in den anderen sestieri waren hier die mächtigen, als Häuser-Fundament in den Untergrund getriebenen Baumstämme kaum notwendig.
Auf dem Weg vom Campo S. Margherita kommen wir am Gemüseboot beim Campo S. Barnaba vorbei (Das zweite ist im Rio de S. Anna am Ende der Via Garibaldi in Castello fest verankert).
Ein paar Gassen weiter präsentiert sich nach der Kirche S. Trovaso sehr malerisch die letzte verbliebene Gondelwerft der Stadt.
Nur ein Katzensprung weiter kommen wir zur prächtigen, breiten Promenade Zattere und noch vor dem gleichnamigen Anlege an der Gelateria Nico vorbei, nicht ohne einen Zwischenstopp auf ihrer hölzernen Plattform zu machen. Auch Commissario Brunetti lässt sich hier immer mal wieder blicken. Für einen Gianduiotto (ein mit Sahne gefülltes Glas, in dem ein Nougateis-Riegel versenkt ist – sehr beliebt und sehr empfehlenswert!) ist es heute aber selbst uns zu kalt. Dafür genießen wir bei einem Latte Macchiato den sagenhaften Ausblick hinüber zur Giudecca. In der auffälligen ehemaligen Getreidemühle im neugotischen Stil hat sich das Luxus-Hotel Molino Stucky eingerichtet, das unter anderem schon Michelle Obama beherbergt hat.
Nach angenehmer Rast laufen wir weiter am Zattere entlang auf die Gesuati-Kirche zu. Kurz davor jedoch steht einer der überall in der Stadt vertretenen kleinen, grünen, fast runden Kioske. Bei näherem Betrachten fällt auf, dass er sehr neu ist. Eine Einheimische erzählt uns folgende berührende Geschichte: Bei der Jahrhundert-Flut fast genau ein Jahr zuvor, am 12. November 2019, wurde der alte Kiosk mitsamt Inhalt von den Wassermassen in den Canale della Giudecca gerissen und versank in den Fluten. Der verzweifelte Besitzer stand vor dem Nichts und war finanziell ruiniert. Engagierte Freunde und Anwohner organisierten eine Spendenaktion von deren Erlös der dankbare Inhaber einen neuen Kiosk kaufen und einige Monate später wieder eröffnen konnte.
In diesem Zusammenhang möchten wir Ihnen das wunderbare Buch des Venezianers Giovanni Montanaro „Il libraio di Venezia“ („Der Buchhändler von Venedig“) ans Herz legen. Montanaro schildert anschaulich und einfühlsam die Tage während und nach der Großen Flut und erzählt von großem Leid, aber auch von selbstloser Hilfsbereitschaft und dem unerschütterlichen Zusammenhalt der Venezianer. Leider ist das Buch bislang nur in italienischer Sprache erschienen.
Über die Autoren
Elisabeth Hoffmann und Karl-Ludwig Heinrich recherchieren seit zwanzig Jahren zu den Roman- und Filmschauplätzen des beliebten Commissario Brunetti und haben bisher vier Bücher dazu veröffentlicht. Mittlerweile sind sie auch auf den Spuren von Kommissar Dupin in der Bretagne unterwegs. Nähere Informationen finden Sie auf www.Krimischauplatz.de. Während ihrer langen Aufenthalte in Venedig haben sie viele Eindrücke über das Leben und den Alltag in der Lagune gewonnen, worüber sie in ihrer Kolumne berichten möchten.
und
Karl-Ludwig Heinrich
auf dem Forte Sant’Andrea
Ein zu Herzen gehender Artikel❤️ der zeigt mit wieviel Menschlichkeit die Venezianer miteinander umgehen … auch deshalb liebe ich die Stadt und ihre Bewohner ❤️
❤️❤️❤️